Meldestelle für digitale Barrieren

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Wie gehen eigentlich blinde Menschen mit Fotos in Sozialen Netzwerken um? Mit welchen Herausforderungen sehen sie sich konfrontiert und welche Bewältigungsstrategien werden angewandt? Wie werden die Herausforderungen mit visuellen Inhalten im Vergleich mit Herausforderungen bei der sonstigen Bedienung der Benutzeroberfläche gewertet? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer Studie die von der Cornell Universität durchgeführt wurde.

Der Hintergrund ist der, dass täglich über 350 Millionen Fotos auf Facebook hochgeladen werden. Facebook mit monatlich weit über einer Milliarde Nutzern ist damit neben Instagram und Snapchat ein visuelles Medium. Die Frage, die die Wissenschaftler der Cornell Universität interessiert, ist wie erleben blinde und sehbehinderte Menschen Soziale Netzwerke?

Um diese Fragen zu beantworten wurden mit elf Personen Interviews geführt und 60 Personen nahmen an einer Online-Befragung teil. Alle Teilnehmer waren blind oder stark sehbehindert mit sehr geringem Sehrest. Ein Ergebnis der Studie ist, dass die Teilnehmer dieselben Motive bei der Nutzung sozialer Netze und visueller Inhalte wie nichtbehinderte Menschen haben, nämlich um die Beziehungen zu Freunden und zur Familie zu pflegen. Ein Teil der Teilnehmer nutzt soziale Netze auch im Rahmen der beruflichen Karriere.

Wenn es um die Bedienung geht, stellen Webseiten sozialer Netze eine Herausforderung für blinde und stark sehbehinderte Menschen dar. Der sehende Mensch kann eine Webseite gut als Ganzes visuell erfassen und findet schnell die Links, die zum Weiterkommen benötigt werden. Der blinde Nutzer, der einen Screenreader benutzt, muss sich unter Umständen die Seite komplett vorlesen lassen. Insbesondere da wo Informationen fehlen, zum Beispiel fehlende Alternativtexte bei visuellen Inhalten, wird es für den blinden Nutzer schwierig und verwirrend. Einige der Teilnehmer der Studie gaben an dennoch auch mit komplexen Webseiten arbeiten zu können. Mit der Zeit werden Strategien entwickelt um ans Ziel zu kommen. Viel schwieriger ist es wenn sich das Layout der Webseite ändert und die einmal erlernten Strategien nicht mehr funktionieren. Die Probleme mit Barrieren führen dazu, dass sich die behinderten Nutzer ausgegrenzt fühlen und das Gefühl haben etwas zu verpassen.

Eine Strategie um die Herausforderungen der Webseite in den Griff zu bekommen ist die Verwendung unterschiedlicher Versionen der Webseite. Die Facebook Version für mobile Endgeräte ist nach Aussage der Teilnehmer die zugänglichste, hat aber nicht die volle Funktionalität der PC Version. Die Apple (iOS App) Version eignet sich besonders gut um Bilder hochzuladen. Eine weitere Strategie besteht darin sich von einer sehenden Person (Ehefrauen, enge Freunde), die einen gut kennt, helfen zu lassen.

Auch wenn blinde Nutzer visuelle Inhalte nicht so wahrnehmen wie sehende Nutzer, sind sie sich dennoch darüber im Klaren, dass visuelle Inhalte bei sozialen Netzen wichtig sind. Die Herausforderung besteht darin zu erkennen was in den Bildern, Grafiken oder Emojis dargestellt ist. Da die visuellen Inhalte nur selten beschrieben sind, werden Strategien entwickelt einen Eindruck von dem zu bekommen, was in dem Bild zu sehen ist. Knapp über die Hälfte der Teilnehmer versucht die Inhalte von Bildern herauszufinden. Hierbei ist vor allem hilfreich, was im Kontext in dem das Bild dargestellt ist, geschrieben steht. Auch die Kommentare anderer Nutzer können unter Umständen hilfreich sein. Manchmal sind auch Personen im Bild markiert oder es gibt eine Ortsangabe (Geo Tag). Am besten ist aber immer noch eine Bildbeschreibung durch den Nutzer, der das Bild eingestellt hat. Auch die Reaktion auf visuelle Inhalte hängt davon ab, ob man verstanden hat was in dem Bild dargestellt ist. Auf der einen Seite geht es darum Beziehungen einzugehen und zu pflegen und auf der anderen Seite darum Sicherheit zu haben das Richtige zu tun. Eine Strategien geht davon aus, dass es sicher ist ein Bild zu „liken“ wenn mindestens 100 Nutzer es bereits getan haben. Eine andere Strategie setzt darauf, dass die Kommentare ein schlüssiges Bild liefern und man einen Text im Sinne anderer Kommentatoren verfasst.

Interessanterweise posteten sieben der elf Teilnehmer die interviewt wurden und fast ein Viertel der Teilnehmer an der Online-Befragung eigene Bilder. Einige gaben auch an selber Fotos zu machen und wiesen auf die Probleme hin, denen sie sich gegenüber sahen. Ist das Bild scharf, zeigt es das was ich zeigen will? Probleme gibt es auch bei der Bildbearbeitung und Bildauswahl. Es werden auch verschiedene Strategien genannt um den Herausforderungen zu begegnen, unter anderem auch die Hilfe durch eine sehende Vertrauensperson.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass blinde und sehbehinderte Menschen soziale Netze aus denselben Gründen nutzen, wie sehende Nutzer. Sie sind sich der besonderen Funktion visueller Inhalte bewusst. Blinde und sehbehinderte Menschen entwickeln Strategien um den Herausforderungen, die sich aus der Nutzung sozialer Netze / visueller Inhalte ergeben zu begegnen. Um blinden und sehbehinderten Menschen bei der Nutzung zu unterstützen, sollte das Layout einer Webseite selten gewechselt werden und Bilder sollten Bildbeschreibungen erhalten. Da fehlende Alternativtexte für blinde und sehbehinderte Menschen häufige und frustrierende Barrieren sind, ergänzt Facebook im englischsprachigen Raum unter iOS hochgeladene Bilder automatisch mit Beschreibungen, die als Alternativtext hinterlegt werden (c’t Magazin für Computertechnik, Heft 9, 2016, Seite 38). Dieser Beitrag zur Barrierefreiheit soll zukünftig auch für andere Länder, Sprachen und Betriebssysteme verfügbar sein. Interessant wäre es, die automatischen Bildbeschreibungen mit einer Gesichtserkennung zu kombinieren. Allerdings wird hier auch schon auf datenschutzrechtliche Aspekte verwiesen, die dem entgegenstehen. Die englischsprachige Studie der Cornell Universität ist als PDF Dokument abrufbar.